Wer unvorbereitet das kleine Jugendzimmer von James Rutz in Bonndorf betritt, gerät sofort auf die falsche Fährte. Was hat das denn zu heißen, dass da eine zwei Quadratmeter große Deutschlandflagge über seinem Bett hängt?
Nichts Falsches denken. Dass der junge Mann wohl nicht zum rechten Teil des politischen Spektrums gehört, sieht man an dem Aufkleber auf der Pinnwand über dem Schreibtisch am Fenster. „FCK AfD“ steht da ziemlich unmissverständlich. Und die Flagge? Seine Mutter habe sie mal anlässlich eines Fußballturniers gekauft, sagt James Rutz. Jetzt nutzt er sie, um einen unschönen Fleck an der Wand zu kaschieren. „Ich hatte keine Lust, da extra irgendein Poster zu kaufen.“ Weitere Bedeutung: Keine. Auch dass er mit Vornamen James heißt, hat seiner Kenntnis nach keinen tieferen Sinn.
James Rutz hat mit Bundesgenossen den Kreisverband der Satirepartei „Die Partei“, gegründet, sich zum Vorsitzenden wählen lassen – und kandidiert jetzt im Landkreis Waldshut auf Listenplatz eins für den Kreistag. Seine Chancen stünden da ganz gut, ein Mandat zu ergattern, glaubt er.
Aber wieso engagiert er sich in einer Satirepartei? Sollten nicht Satiriker Satire machen und Politiker Politik? „Mir konnte noch keiner erklären, wieso Satire und Politik nicht zusammenpassen“, sagt James Rutz.
Das Wahlprogramm der Kreis-Partei, noch im Rohzustand, bietet jedenfalls schon jetzt reichlich satirisches Potenzial. Ein „Schwarzwälder Kirschtorten-Day“ in allen Unternehmen wird da gefordert, ergänzend zum Veggie-Day, ein Waldshuter Weltraumprogramm „Wusa“, ein Stylingberater für den Landrat. Aber James Rutz weist auch darauf hin, dass „Die Partei“ bereits in einigen deutschen kommunalen Parlamenten sitzt und dort durchaus ernsthaft Politik betreibt.
Sein Interesse daran sei durch die Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ erwacht, vor allem aber durch ein Plakat der „Partei“, das er mal in Freiburg sichtete. Mit der Vereinigung unter Vorsitz des Satirikers Martin Sonneborn hat er sich anschließend näher befasst. „Dass die Partei sich stark gegen Lobbyismus wendet, hat mich am meisten beeindruckt“, sagt der 16-Jährige. Er besucht die elfte Klasse des Wirtschaftsgymnasiums der Hans-Thoma-Schule in Neustadt, vorher war er in Bonndorf auf der Realschule. Sein Notendurchschnitt betrage aktuell 1,5, wirft er lässig ins Gespräch.
Als Witz betrachtt er seine Kandidatur für den Kreistag keineswegs, sondern als Chance, Dinge zu verändern. Zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr. „Wie soll man als Jugendlicher ohne Führerschein rauskommen aus Bonndorf, wenn nicht mit dem Bus?“, fragt er rhetorisch. Aber davon fahren eben zu wenige. Eltern als Taxidienst? „Ist doch klar, dass denen das stinkt“, sagt James. Als Kreisrat, so sein Kalkül, müsste ihm der Landkreis von Gesetzes wegen den Besuch aller Sitzungen ermöglichen. Und dazu die einzige Möglichkeit sei, den ÖPNV massiv auszubauen.
Vielleicht gelingt ihm auch der Sprung in den Bonndorfer Gemeinderat, um den Hebel anzusetzen, da kandidiert James Rutz auf der Liste der SPD, weil er für die „Partei“ in Bonndorf keine Mitstreiter gefunden hätte. Auch im Gemeinderat sollten Jüngere vertreten sein, sagt der Gymnasiast, sonst würden ihre Anliegen ja nicht gehört.
Auch über Bonndorf hat James Rutz einiges zu sagen: Geschäfte schließen, es gibt immer weniger Gastronomie – und für Jugendliche bleiben keine Zufluchtsorte, kritisiert er, ein Jugendzentrum gibt es ja auch nicht.
Seine Chancen, oder die der beiden anderen Heranwachsenden auf der SPD-Liste für den Bonndorfer Gemeinderat, seien allerdings wohl eher mau. „Die Leute wählen das, was sie kennen“, analysiert er. „Ein Ingo Bauer muss sich da keine Sorgen machen.“
Quelle: Südkurier vom 22. März 2024